- Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Sportpolitik, beschlossen am 06.06.2021
Die Vernetzung durch das Internet und die gleichzeitige Entwicklung der Rechenkapazität von Computern haben bereits im letzten Jahrhundert eine neue Welt ermöglicht, die sich ständig weiterentwickelt und in der sich einerseits digitale Abbilder unseres analogen Lebens zeigen, die aber andererseits mit diesen kaum vergleichbar sind. Das gilt auch für den Sport.
In den öffentlichen Debatten versucht unsere Gesellschaft dieses „Neuland“, wie Angela Merkel es nannte, zu begreifen, was aber wohl ein Ding der Unmöglichkeit ist – denn die Vielzahl der Möglichkeiten hat zur Folge, dass es für jeden Menschen eine gänzlich unterschiedliche Umgebung ermöglicht. Für eine sportpolitische Betrachtung ist es daher wichtig, einen klaren Fokus zu setzen.
Wie in der analogen Welt ist Sport im digitalen Raum vielschichtig und im fließenden Übergang zum Spiel: Viele Menschen spielen, andere erbringen Hochleistungen im eSport und wiederum andere sehen diesen Menschen beim Spielen zu. Fast jede*r Zweite in Deutschland spielt mindestens gelegentlich Computer- und Videospiele. Der Branchenverband game schätzt, dass in Deutschland mehr als drei Millionen Menschen mindestens einmal im Monat eSport gucken oder gar selbst aktiv spielen. Gaming und eSport sind alltäglicher Bestandteil eines Großteils der Bevölkerung. Daher ist es wichtig, die Herausforderungen des digitalen Sports anzunehmen und Ziele und Aufgaben zu definieren.
eSport ist der unmittelbare Wettkampf zwischen menschlichen Spieler*innen unter Nutzung von geeigneten Video- und Computerspielen an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen unter festgelegten Regeln. eSport ist ein Teilbereich der Freizeitnutzung von Videospielen (Gaming)[1].
Wettbewerbe fair und klimaneutral durchführen
eSport ist ein weltweites Zuschauer*innen-Phänomen: Große eSport-Turniere finden rund um den Globus statt, sie sind einzigartige Möglichkeiten für kulturellen Austausch und internationale Freundschaften. Profis zeigen faszinierende Fähigkeiten, die Millionen Fans begeistern, sowohl in großen Hallen als auch per Stream.
Im Bereich der eSport-Veranstaltungen wollen Bündnis 90 / Die GRÜNEN dazu beitragen, Deutschland zu einem attraktiven Ausrichtungsland zu machen und den eSport dafür zu nutzen, internationale Freundschaften zu stärken. In einer Gesamtstrategie für Sportgroßveranstaltungen soll zudem darauf hingearbeitet werden, dass auch eSport-Events klimaneutral und umweltfreundlich durchgeführt werden.
Für den Publikumsverkehr bei eSport-Events ist im Sinne eines stringenten Jugendschutzes eine eigene Altersbewertung unabhängig von der USK-Freigabe für die Spiele vorzunehmen. Und auch der soziale Aspekt muss bei Förderungen gestärkt werden, unter anderem sollen Frauen* die gleiche Sichtbarkeit erhalten wie Männer. Dies betrifft sowohl die sexismusfreie Repräsentanz von Frauen* in eSport-Organisationen, bei den Spielern*innen, aber auch bei den Avataren und Hauptfiguren.
Bündnis 90 / die GRÜNEN will eSport zudem für das sozialstaatliche Wirken nutzen, um Menschen zu erreichen, die zum Beispiel im Digitalen eine Sucht entwickeln oder in verfassungsfeindliche Strukturen geraten. Hier ist das konstante, soziale Umfeld eines Vereins in der sich schnell wandelnden eSport-Welt ein Anker und Ansatzpunkt für Hilfen.
Für Bündnis 90 / die GRÜNEN ist es wichtig, faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Zur Fairness gehört: Pay-to-win hat im eSport nichts zu suchen. Auch im Sinn der Suchtprävention im Glücksspiel fordern wir die Publisher auf, in eSport-Titeln keine Pay-to-win-Elemente zu implementieren und sie dort, wo sie bereits bestehen (beispielsweise in der Sportsimulation „FIFA“), zu entfernen. Glückspielelemente sind jugendgefährdend und machen diese Titel daher dauerhaft für einen jüngeren Adressat*innenkreis unbrauchbar.
Auch Regelungen zu Doping im eSport sind notwendig: Es bedarf der Aufklärung der eSportler*innen und Bemühungen, Doping systematisch zu verhindern. Geeignete Antidopingmaßnahmen sind in Kooperation mit der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) zu entwickeln.
Wir wollen den Interessenausgleich zwischen Publisher*innen, Veranstalter*innen und Vereinen sowie eSportler*innen fair gestalten. Daher setzt sich Bündnis 90 / die GRÜNEN für Spieler*innenverbände ein, die für Arbeitszeiten, Unterkünfte, eine angemessene Arbeitsumgebung und Turniermodi, die gleiche Chancen im Wettbewerb garantieren.
Um einen effektiven und konsistenten Jugendschutz im Bereich eSport zu gewährleisten, werden Bündnis 90 / die GRÜNEN bei den Bundesländern auf eine Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags hinwirken.
Barrierefreiheit von der Programmierung bis in gemeinnützige Vereine
eSport kann vergleichsweise leicht sowohl von Menschen mit und ohne Behinderung betrieben werden. Bündnis 90 / Die GRÜNEN wollen die Potentiale des eSports Menschen mit und ohne Behinderung zugänglich machen. Die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe soll gemeinsam mit dem Deutschen Behindertensportverband (DBS), dem DOSB, Special Olympics Deutschland und dem ESBD umgesetzt werden.
Fanden sich in der frühen Phase des eSports Spieler*innen in inoffiziellen Clans und Gilden zusammen, ist auch hier eine Professionalisierung zu beobachten: Erfolgreiche Gilden werden zu Unternehmen, die ihre Angestellten bezahlen, Sportvereine wie Schalke 04 oder Paris Saint-Germain leisten sich eSport-Mannschaften im Profibereich, und mehr und mehr Gruppen organisieren sich im Amateur- und Breitensport in eSport-Vereinen oder eSport-Abteilungen in Sportvereinen. Chancen bieten sich unter anderem im Bereich der Inklusion, bei der Zusammenarbeit mit “traditionellem” Sport (z.B. um Ausgleich bei einseitiger Belastung zu schaffen), bei der Medienkompetenz und der Geschlechtergerechtigkeit.
Unterhalb der Ebene des professionellen eSports setzen wir uns für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von eSport ein. Bündnis 90 / Die GRÜNEN wollen das demokratische Vereinsleben fördern und eSportler*innen Rechtssicherheit für ihre gemeinschaftlichen Tätigkeiten bieten. Bündnis 90 / Die GRÜNEN wollen die vielfältigen Chancen des eSports nutzen, um die Attraktivität der Vereinsstruktur zu erhöhen und den Wandel der Sportlandschaft in der digitalen Zeit zu unterstützen.
Autor*innen (Koordinationsteam + Arbeitsteam):
Jan-Peter Jannack, Niedersachsen
Anja Schillhaneck, Berlin
Oliver Camp, Hamburg
Norbert Gütlein, Bayern
Hans Jagnow, Berlin
Joschka Knuth, Schleswig-Holstein
Nicole Ludwig, Berlin
Jakob Rödl, Berlin
[1] Für eine differenzierte Unterscheidung von Gaming und eSport https://esportbund.de/esport/was-ist-esport/
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