Bild Bündnis90/Die Grünen Niedersachsen; Lizenz CC BY-SA 2.0

Positionspapier: Ohne Schwimmen gehen wir unter

  • Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Sportpolitik, beschlossen am 26.09.2020

Schwimmen ist eine der beliebtesten Freizeitsportaktivitäten in Deutschland und blickt auf eine lange Kulturgeschichte zurück. Die Fähigkeit, sich im Wasser fortzubewegen, ist aber nicht nur eine gesundheitsfördernde Aktivität oder Freizeitbeschäftigung, sondern ist in Gefahrensituationen auch überlebenswichtig.

In den vergangenen Jahren beobachten wir allerdings, dass die Schwimmfähigkeit bei Kindern und auch Erwachsenen eingebüßt hat. Die Gründe sind vielfältig, die Problemlagen ebenso. Wir wollen mit diesem Positionspapier unsere Vorstellungen für eine tragfähige Lösung zur Verbesserung dieser Situation anreißen, auf welche die Fachverbände in den vergangenen Monaten noch einmal intensiv aufmerksam gemacht haben. Unser Ziel: Jeder Mensch, ob klein oder groß, soll sich im Wasser sicher bewegen können und es muss staatliche Aufgabe sein, Konzepte und die notwendige Infrastruktur dafür zu entwickeln! Die Sicherung des Schwimmunterrichts in Bildungseinrichtungen muss dabei die Basis sein.

Hintergrund:

– Bundesweit sind rund 60% der zehnjährigen Kinder keine sicheren Schwimmer*innen, d.h. sie haben kein Schwimmabzeichen oder nur das „Seepferdchen“. Dies ist ein Ergebnis einer Studie der Deutschen Lebens- Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG) von 2017.

– Der Großteil der bestehenden Hallen- und Freibäder wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren erbaut. Diese sind vielerorts sanierungsbedürftig. Eine nachhaltige und energetische Sanierung ist dringend notwendig.

– Bis in die 1980er-Jahre waren Bädersanierungen Teil der kommunalen Sportstättenförderung, diese Regelung wurde leider beendet. Mittlerweile sind unterschiedlichste Betreiber*innen-Modelle sowohl in kommunaler als auch in privater Hand vorhanden.

– Es gibt einen staatlichen Bildungsauftrag: Schwimmen ist in vielen Bundesländern auch im Bildungsplan der Grundschulen verankert. Diesem Anspruch wird man jedoch noch nicht flächendeckend gerecht.

– Der bundesweite Trend ist, dass immer mehr Bäder aufgrund von dringendem Sanierungsbedarf schließen müssen – häufig auch, um kommunale Haushalte zu entlasten.

– Festgestellt werden muss auch, dass die Qualität des Schwimmunterrichts ausbaufähig ist und die Schüler*innen nicht durchgängig von Fachlehrer*innen bzw. geschultem Personal unterrichtet werden. Nicht selten wird auf private Anbieter zurückgegriffen, die einen wachsenden Markt bedienen. Dies ist nur so lange sinnvoll, wie keine auf die Eltern umzulegenden Kosten entstehen, sondern der Schulträger diese übernimmt.

– Es ist dramatisch: In Deutschland sind in den vergangenen 20 Jahren Hunderte Hallen- und Freibäder geschlossen worden.
Beispiel Baden-Württemberg: Hier kann rund ein Viertel der Schulen (Umfrage des Kultusministeriums) keinen Schwimmunterricht erteilen – aufgrund schlechter oder nicht vorhandener Erreichbarkeit von Schwimmbädern oder fehlender Ausbildungsfachkräfte. Die Folge: Ohne Schwimmstätten und Personal kann keine Schwimmausbildung stattfinden!

– Wir haben einen nicht gedeckten Investitionsaufwand für die Sanierung von Bädern (Freibäder und Hallenbäder) von über 14 Mrd. Euro deutschlandweit, dies prognostiziert die DLRG.

– Die Bäderinfrastruktur benötigt im Vergleich zu anderen Sportstätten mit die höchsten Unterhaltungskosten und unterliegt einem hohen Zuschussbedarf – umso wichtiger ist es, sie als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu begreifen, um vor allem Kindern die lebenswichtige Schwimmfähigkeit beizubringen.

– Der Trend, Spaßbäder auch in kommunaler Hand zu errichten, ist kostenaufwendig und im Hinblick auf die Aufgabe der Vermittlung der Schwimmfähigkeit wenig fördernd.

GRÜNE Positionen:

  1. Förderprogramm für Schwimmen auf allen Ebenen! Schwimmoffensive starten – die Qualität des Schwimmunterrichts mit qualifizierten Fachlehrer*innen und Bädersanierungen angehen. Dazu braucht es zusätzliche Investitionen in Fachpersonal und in den Erhalt von Bädern sowie den Anstoß für die Länder und Kommunen, den Bäderbetrieb in die kommunalen Pflichtaufgaben zu übernehmen. Alle staatlichen Ebenen sind in der Pflicht: Grundsätzlich sind Kommunen für die Sportstätten, Länder für den Schulsport und der Bund für den Spitzensport zuständig. Darüber hinaus sollte der Bund jedoch kurzfristig mehr Mittel als bisher für die Sanierung der öffentlichen Schwimmbäder zur Verfügung stellen. So sollten bspw. die Mittel im Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ oder des „Investitionspakt Sportstätten“ signifikant erhöht werden und mittelfristig ein Sportstättenprogramm für kommunale und vereinseigene Sportstätten in Absprache mit Ländern, Kommunen, Sportverbänden und Wissenschaft unter besonderer Berücksichtigung von Umweltverträglichkeit, Barrierefreiheit und sozialer Kriterien aufgelegt werden.
  2. (Energetische) Sanierung von kommunalen Schwimmbädern fördern! Dabei gilt es, insbesondere Förderbarrieren abzubauen. Einige Förderprogramme zur energetischen Sanierung schließen bspw. Schwimmhallen aus. Bei der Sanierung von Schwimmbädern muss außerdem umfassende Barrierefreiheit hergestellt werden, auch um eine umfängliche Nutzung für den wichtigen Rehasport zu ermöglichen.
  1. Kommunen unterstützen, die Schwimmunterricht ermöglichen! Kommunen beraten und fördern, die noch eine Lücke aufweisen. Hier wollen wir uns flächendeckend für einen Bonus über den Sachkostenbeitrag im Rahmen des Schullastenausgleichgesetzes einsetzen – dies wäre eine Stütze für den Bäderunterhalt.
  2. Regionale und kommunale Vernetzung intensivieren, Know-how von Schwimmvereinen nutzen! Es sollten Plattformen geschaffen werden, auf denen der überregionale Austausch zwischen Land, Kommunen und Vereinen über den Erwerb der Schwimmfähigkeit, die Verfügbarkeit von Wasseroberflächen sowie auch über Wege des Bädererhalts möglich wird. Die Schwimmvereine des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) sowie die Rettungsschwimmer*innen der DLRG und der Wasserwacht bilden beispielsweise viele Schwimmer*innen aus. Eine neue gemeinsame Plattform zum Wissensaustausch zwischen Vereinen und kommunalen Schwimmlehrer*innen würde helfen, die Qualität der Lehrer zu verbessern. Die Masse an Seepferdchenschwimmer*innen bietet im Gegenzug enormes Potential für die Nachwuchsgewinnung im Schwimmsport.
  3. Bäder multifunktional planen! Alle Arten von Bädern haben eine Daseinsberechtigung. Doch müssen Wasserflächen, die für die Schwimmausbildung geeignet sind, zum Standard eines Bades gehören – hier können bspw. Spaßbad und Lehrschwimmbecken zusammen gedacht werden.
  4. Alternative Wasserflächen nutzen! Natürliche Gewässer wie z. B. Seen müssen mit in Schwimmkonzepte integriert werden und Flächen der Freibäder genutzt werden. Hier sind die Jahreszeit und eine gute Schwimmausrüstung zu bedenken. Dabei muss auch die generelle Unterversorgung mit Rettungsschwimmer*innen in weitere Planungen einbezogen und thematisiert werden.
  5. Elterninitiative „gemeinsamSchwimmen“ Eltern wollen wir als wichtige Partner*innen wahrnehmen und dabei auch die abnehmende Schwimmfähigkeit in älteren Jahrgängen angehen. Hier kann die Motivation von Eltern, mit ihren Kindern zu schwimmen und Vorbild zu sein, genutzt werden.
  6. Datengrundlagen schaffen! Es gibt aktuelle keine gesicherte bundesweite Datengrundlage zur Bäderinfrastruktur. Wir fordern daher die Konferenz der Sportminister*innen der Länder (SMK) auf, die länderübergreifende Sportstättenstatistik, die letztmals zum Erhebungsstichtag des 1. Juli 2000 bundesweit durchgeführt und 2002 veröffentlicht wurde, wiedereinzuführen.
  7. Schulsport und Schwimmunterricht entkoppeln und weiterentwickeln! Um qualifizierten schulischen Schwimmunterricht erreichen zu können, wollen wir den schulischen Schwimmunterricht in Grundschulen vom regulären Sportunterricht entkoppeln. In der gegenwärtigen Situation reicht die Zeit des schulischen Schwimmunterrichts schlichtweg aufgrund der meist aufwendigen Anfahrtswege und der langwierigen Vorlaufzeit (Umziehen, Duschen etc.) kaum aus, um in einer Doppelstunde – von der am Ende nur wenig übrig bleibt – qualifizierten Schwimmunterricht umsetzen zu können. Stattdessen schlagen wir vor, den Schwimmunterricht vom regulären Sportunterricht zu entkoppeln. Konkret möchten wir es den Grundschulen als eine weitere Option ermöglichen, die notwendigen schulischen Schwimmstunden auf einige wenige volle Schultage zu konzentrieren. Diese Konzentration des schulischen Schwimmunterrichts auf einige wenige reine „Schulschwimmtage“ würde es den Schulen und den Sportlehrer*innen ermöglichen, den Schwimmunterricht qualifizierter vorzubereiten und den Kindern das Schwimmen effizienter beizubringen.

Autor*innen:
Anne Kowatsch, Baden-Württemberg

Dennis Helmich, Sachsen-Anhalt
Jutta Schmidt-Stanojevic, Berlin
David Kozlowski, Berlin
Gabriele Schnellrieder, Niedersachsen
Luca Wernert, Baden-Württemberg

Martin Reincke, Bremen
Martin Biederstedt, Sachsen

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