Politischer Umgang mit den Olympischen Winterspielen 2022 in China

Verfasst und veröffentlicht auf einstimmigen Beschluss des Sprecher*innen-Teams der Bundesarbeitsgemeinschaft Sportpolitik in Bündnis 90 / Die Grünen am 12. Dezember 2021.

Als Sprecher*innen der bündnisgrünen Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Sportpolitik sind wir der Überzeugung, dass die Bundesregierung als auch Funktionär*innen des deutschen Sports den olympischen Winterspielen in China 2022 fernbleiben und außerdem auf ein europäisch einheitliches Vorgehen hinwirken sollten, um die Menschenrechtslage in China und den Fall Peng Shuai adäquat und klar gegenüber den chinesischen Gastgeber*innen zu adressieren. Dabei sollte der Deutsche Olympischen Sportbund (DOSB) und weitere deutsche Sportorganisationen den Verzicht der Teilnahme von DOSB-Präsidiumsvertreter*innen und Funktionär*innen in China prüfen und sich im Internationalen Olympischen Kommittee (IOC) und internationalen Sportfachverbänden für eine eindeutige Position zur Menschenrechtslage, zum Fall der Athletin Peng Shuai und gegen sexualisierte Gewalt an Athlet*innen einsetzen.

Seit Wochen ist unklar, wo sich die chinesische Tennisspieler Peng Shuai aufhält, nachdem sie Vorwürfe von sexuellem Missbrauch durch den Vizepremierminister, Zhang Gaoli, veröffentlicht hat. Unter #WhereIsPengShuai solidarisieren sich weltweit Athlet*innen, Sportorganisationen und Politiker*innen mit ihr. In Reaktion auf das Verschwinden hat die Women’s Tennis Association (WTA) sämtliche geplante Turniere in China ausgesetzt. Peng Shuai gilt weiterhin als vermisst, Berichterstattung über ihren Fall wird von der chinesischen Regierung zensiert und jeder internationalen Kritik an dem Vorgehen wird durch China in scharfen diplomatischen Tönen begegnet.

Als Sprecher*innen der BAG Sportpolitik sind wir besorgt um das Wohlergehen von Peng Shuai. Wir fordern, ihre Handlungs- und Bewegungsfreiheit uneingeschränkt wiederherzustellen und ihr ungehindert die Möglichkeit zu geben, sich frei, ohne Zensur und ohne Beeinflussung oder Druck durch staatliche Institutionen zu äußern und das unabhängig verifizieren zu lassen. Den durch sie vorgebrachten Vorwürfen muss auf Grundlage von rechtsstaatlichen Prinzipien nachgegangen und entsprechende Konsequenzen unabhängig von politischen Ämtern gezogen werden.

Die rot-grün-gelbe Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag eindeutig positioniert: „Vergabe und Ausrichtung von internationalen Sportgroßveranstaltungen sollen strikt an die Beachtung der UN-Leitprinzipien für […] Menschenrechte […] geknüpft sein.“ Daraus ergibt sich aus unserer Sicht eine Verpflichtung für die Bundesregierung, dass bei einer Ausrichtung in einem Land, dass diese Standards nicht einhalten kann, adäquate Konsequenzen gezogen werden. Der Fall Peng Shuai ist ein besorgniserregendes Beispiel für die fortgesetzte und zunehmend angespannte Menschen- und Bürger*innnerechtelage in China, die sich auch an den Vorgängen in Tibet und Hongkong sowie den Verletzungen der Menschenrechte der Uigur*innen in Xinjiang bewerten lassen muss. Die Positionierung der USA zu einem diplomatischen Fernbleiben der Regierungsmitglieder bei den olympischen Winterspielen 2022 kann dabei als Orientierungspunkt für uns und die europäischen Partner*innen dienen, um ihre menschenrechtspolitische Verantwortung nun schnell und klar wahrzunehmen.

Wir halten es trotz der angespannten politischen Situation für sinnvoll, unseren Athlet*innen die Teilnahme an den Spielen ermöglichen. Sollten sie sich allerdings bewusst gegen eine Teilnahme entschließen, dürfen ihnen daraus keine persönlichen Nachteile entstehen. Die Athlet*innen tragen keine Verantwortung für die Situation in China, haben sich monatelang unter schwierigen Pandemiebedingungen auf den Höhepunkt ihrer Karriere vorbereitet und würden durch ein erzwungenes Fernbleiben unzulässig bestraft werden. Vielmehr müssen das IOC und die chinesischen Gastgeber*innen garantieren, dass sie ihre Meinung – auch und gerade über ihre Kollegin und Mit-Athlet*in Peng Shuai – offen und uneingeschränkt politisch und menschlich äußern dürfen und können, wenn sie sich dazu entscheiden. Die Winterspiele 2022 müssen ohne Überwachung, Zensur und Gängelung der Athlet*innen stattfinden.

Darum hat das IOC eine besondere Verantwortung, der es gerecht werden muss. Die Positionierung des 10. Olympischen Gipfels vom 11. Dezember 2021 ist einseitig und wird der weltweiten Fürsorgepflicht für die Athlet*innen und deren Rechte nicht einmal im Ansatz gerecht. Eine starke Positionierung von deutschen Sportverbänden, allen voran dem DOSB, im internationalen Verbändesystem würden wir ausdrücklich begrüßen und erwarten, dass sich der DOSB für einen sicheren Aufenthalt der deutschen Athlet*innen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung einsetzt.

Weiterführende Informationen:

BAG Sportpolitik – Positionspapier – Demokratisch, transparent und klimaneutral – ein GRÜNER Weg für Sportgroßveranstaltungen: https://gruene-bag-sportpolitik.de/demokratisch-transparent-und-klimaneutral-ein-gruener-weg-fuer-sportgrossveranstaltungen/

10. Declaration of the 10th Olympic Summit: https://olympics.com/ioc/news/declaration-of-the-10th-olympic-summit


Unterstützer*innen (Stand: 13. Dezember 2021)

Nina Wellenreuther (Sprecherin BAG Sportpolitik)
Hans Jagnow (Sprecher BAG Sportpolitik)
Rupy David (stellv. Sprecherin BAG Sportpolitik)
Natascha Kauder (stellv. Sprecherin BAG Sportpolitik)
Dennis Helmich (stellv. Sprecherin BAG Sportpolitik)
Michael Jahn (Kreisvorstand B90/Grüne KV Esslingen)
Thomas Mütze (Stadtrat Aschaffenburg)
Jutta Koller (Sprecherin LAG Sport Bayern)
Anja Stahmann (Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport Bremen)
Hans-Jürgen Kuhn (Sprecher BAG Bildung)
Dr. Peter M. Sopp (Präsident TSV Forstenried München)
Oliver Camp (Sprecher für Sport Bezirksversammlung Hamburg-Nord)
Beate Barabasch (Sprecherin LAG Sport NRW)
Angela Fechner (BAG-Sportpolitik-Delegierte Grüne Hamburg)
Astrid Bialluch-Liu (Sprecherin LAG Sport Berlin)
Ulrike Rüger (Sprecherin BAG Bildung)
Volker Goll (Kreisrat Landkreis Aschaffenburg / Bezirksvorsitzender Grüne Unterfranken)
Alexander Wrusch (Kreisverband Hamburg-Mitte)
Claudia Laux (stellv. Sprecherin BAG Ökologie)


Um als Unterstützer*in eingetragen zu werden, wendet euch bitte an Nina und Hans unter kontakt@gruene-bag-sportpolitik.de.

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